Jüdische Bürger in Neunkirchen
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Die Polizei griff nicht ein. Von höchster Stelle hieß es, die Polizei dürfe nicht gegen die Zerstörung der Synagogen einschreiten. Dem spontanen Volkswillen dürfe nicht entgegengetreten werden. Die Feuerwehr konnte die Synagoge nicht mehr retten, sie konzentrierte sich auf den Schutz der Nachbarhäuser. Die Synagoge brannte restlos aus. Unter lautem Johlen und Gelächter hatten Zivilisten und Formationsangehörige die Gesetzestafeln heruntergerissen. Die anwesende Menschenmenge wurde derweil immer größer. Es gab aber auch massive Proteste gegen die sinnlose Zerstörung und die Brandstiftung. Der Architekt Wisch und der Baumeister Friesch mussten ihren Protest teuer bezahlen. Sie wurden noch am selben Abend niedergeschlagen. Herr Wisch musste schwerverletzt ins Fliedner-Krankenhaus eingeliefert werden. Herr Friesch wurde von einem Überfallkommando der Polizei festgenommen. Zusammen mit Herrn Wisch stellte er gegen die Täter Strafantrag wegen Körperverletzung, allerdings erfolglos. Als Hauptakteure während des Brandgeschehens wurden der SS-Sturmbannführer Stemmler, der SA-Standartenführer Klein, der Kreisleiter Schäfer und der NSKK-Sturmführer ausgemacht. Die Verwaltungsspitze unter Bürgermeister Ruppersberg war vermutlich über den geplanten Brandanschlag informiert. Der Bürgermeister unternahm eine Dienstfahrt bis in den späten Abend hinein. Der Verwaltung gab er den Ratschlag sich passiv zu verhalten. In der Heimatpresse tobte sich in den nächsten Tagen ein zügelloser Antisemitismus aus. So schrieb die Saar-Blies-Zeitung: „Auch in unserer Stadt haben sich die Bürger in richtiger Erkenntnis der Ungeheuerlichkeit der Pariser Freveltat und der dahinterstehenden internationalen Verbrecherbande Luft verschafft und der Judenschaft das bar heimgezahlt, was sie sich eingebrockt hat. Ihr Tempel, ein Schandfleck in der Stadt ist nicht mehr. Spontan wurde er weggefegt.“ Als einzige Möglichkeit dem Terror der Nazis zu entkommen, blieb die Flucht in ein anderes Land, wo allerdings die Mehrzahl von ihnen nach dem Vormarsch der deutschen Truppen, dann doch noch der Gestapo in die Hände fiel. Diejenigen, die zu Hause blieben wurden schließlich verhaftet und in die Konzentrationslager gebracht. So kam es, dass beim Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1945 in Neunkirchen keine Juden mehr wohnten. Einige wenige Juden, die den Holocaust überlebt hatten, haben sich nach dem Krieg in Saarbrücken wieder zusammengefunden und die neue Synagogengemeinde Saar wieder ins Leben gerufen. Die Einzelsynagogengemeinden wurden aufgelöst. 1949 kaufte die neue jüdische Gemeinde den jüdischen Friedhof zurück, der 1942 für 165 Reichsmark an die Stadt Neunkirchen gefallen war. 1970 waren wieder 13 Juden in Neunkirchen ansässig. | |||||||||
Ende des 6. und letzten Teils Text: Wolfgang Melnyk |